Historischer Verein Landkreis Haßberge e. V.

Am 14. Januar 2005 wurde der Historische Verein Landkreis Haßberge e. V. gegründet. Der Verein hat seinen Sitz in Haßfurt und ist ein korporatives Mitglied im Frankenbund.


Nachrichtenarchiv


Straßenbau durch den ehemaligen Todesstreifen: Der Historische Verein Landkreis Haßberge präsentierte am 27. April 2012 Heft 7 seiner Schriftenreihe mit Zeitzeugenberichten von Landrat a. D. Dr. Walter Keller und Rainer von Andrian Werburg zur Grenzöffnung 1989/90


Bild: Das zeigt die Weggefährten von damals (von links): Den Initiator des Grenzübergangs, Ottomar Welz, die Autoren Rainer Freiherr von Andrian-Werburg und Altlandrat Dr. Walter Keller, Staatssekretär a. D. Dr. Albert Mayer, der sich bei der Beschaffung der erforderlichen Finanzmittel für den damaligen Straßenbau in München verdient gemacht hat und Erich Hess (SPD, damals Fraktionsvorsitzender im Kreistag).

Am Freitag, dem 27. April 2012, stellten Dr. Walter Keller und Rainer Freiherr von Andrian-Werburg in der Gastwirtschaft Hartleb in Maroldsweisach ihre Publikation vor mit dem Titel „Grenzöffnung und Straßenbau zwischen den Landkreisen Haßberge und Hildburghausen zur Jahreswende 1989/90“. In eben dieser Gastwirtschaft hatte am 26. Januar 1990 die abschließende Feier nach der Freigabe des Grenzübergangs zwischen Allertshausen und Hellingen stattgefunden.

Diese Veröffentlichung ist als Heft 7 in der Schriftenreihe des Historischen Vereins Landkreis Haßberge e. V. erschienen. Sie stand unter dem Motto des ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff: „Nichts macht Geschichte für nachfolgende Generationen so lebendig wie Erinnerungen von Zeitzeugen“. Denn neben den schriftlichen Dokumenten aus den Archiven handelt es sich bei der Erschließung von Geschichte auch um persönliche Erfahrungen und Erlebnissen und deren Bewahrung für spätere Generationen. Über zwanzig Jahre nach der Grenzöffnung sind das vereinigte Deutschland und offene Grenzen in ganz Europa für Jüngere eine Selbstverständlichkeit; bei manchen Älteren, insbesondere wenn sie nicht, wie die Bevölkerung des einstigen Zonenrandgebietes, in direkter Nähe des „Eisernen Vorhangs“ leben mussten, ist die Erinnerung an die Jahrzehnte der Teilung oft schon verblasst. Um diesem Vergessen entgegen zu wirken, wurde die Dokumentation der Grenzöffnung und des Straßenbaues 1989/90 zwischen den Landkreisen Hildburghausen und Haßberge in die Schriftenreihe des Historischen Vereins aufgenommen, und mit einem Glossar zum geschichtlichen Hintergrund versehen. Denn auch unsere Geschichte trägt zum Gedächtnis der Nation bei.

Dr. Walter Keller und Rainer Frhr. von Andrian-Werburg ließen in ihrem bebilderten Vortrag die Ereignisse des Jahreswechsels 1989/1990 Revue passieren. Die Ereignisse umfassten gerade einmal eine Zeitspanne von nur 74 Tagen, vom Antrag des Ottomar Welz in der Sitzung des Kreistages am 13. November 1989 in Eltmann, dem nach eingehender Diskussion noch am gleichen Tag eine entsprechende Resolution folgte, über den Baubeginn am 14. Dezember 1989 an der Grenze, bis zur Einweihung des neuen Grenzübergangs am 26. Januar 1990. Welche unvorhergesehen Aufgaben und Schwierigkeiten die damals vor Ort wirkenden Politiker des Landkreises bewältigen mussten, um die innerdeutsche Grenze auch in unserem Landkreis zu öffnen und damit den Menschen eine Begegnung zu ermöglichen, stellten die beiden Autoren anschaulich dar. Zum Zeitpunkt der Kreistagssitzung am 13. November 1989 konnte man noch gar nicht wissen, wie sich die Situation an der innerdeutschen Grenze weiter entwickeln würde. Das bestätigte in eindrucksvoller Weise Axel Beyer, der Bürgermeister von Hellingen, der im Anschluss an den Vortrag schilderte, wie auch die Hellinger Bürger ihre Montagsdemonstrationen veranstalteten und nach dem Gottesdienst mit der Kerze in der Hand zum Rathaus zogen, um dort die Kerzen auf der Treppe abzustellen. Die Menschen verhielten sich dabei zurückhaltend, weil keiner wusste, wie es weiter gehen würde. Auch Landrat Walter Keller, der politisch für den Landkreis Haßberge verantwortlich war, musste sich auf neues Terrain wagen. Er entwarf eigenhändig einen Vertrag, der zwischen der DDR und Bayern abgeschlossen werden sollte, um eine Straße auf fremdem Territorium bauen zu können, die auch noch den so genannten Todesstreifen überwinden musste. Es handelte sich bei der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) immerhin damals noch um zwei deutsche Staaten, die unterschiedlicher kaum sein konnten. Und es sollte eine Straße in der DDR mit bayerischem Geld gebaut werden, für das es im Staatshaushalt natürlich keinen Planungsansatz gab. Für seine Unterschrift unter diese Vereinbarung hat Landrat Walter Keller nie eine schriftliche Ermächtigung erhalten. Auch Hans Müller, der damalige Vorsitzende des Rates des Kreises Hildburghausen, hatte keine Absicherung „von oben“ erhalten. Trotzdem begannen schon am 14. Dezember 1989, am Tag nach der Unterzeichnung der Vereinbarung über den Straßenbau und die Grenzöffnung, die Arbeiten, und am 26. Januar 1990 fuhren über den neuen Grenzübergang Autos, wo vor Wochen noch geschossen worden wäre, wie es Handwerksmeister Ebert aus Hellingen emotional ausdrückte.

Inzwischen ist die innerdeutsche Grenze seit 22 Jahren weggefallen und ein Teil der deutschen Geschichte geworden. Helmut Gärtner wies darauf hin, dass die ehemalige Grenze auch heute noch spürbar ist. Ulrich Klette, Bürgermeister von Schweikershausen, erinnerte daran, dass noch heute Radwege an der ehemaligen Grenze enden, und auch die Straße auf thüringischer Seite in schlechtem Zustand sei, weil sie damals sehr schnell gebaut wurde. Erich Geßner, ehemaliger Kreisrat und Altbürgermeister von Zeil, betonte, dass wir trotz der „O-„ und „B-„Worte alle Deutsche seien, und der stellvertretende Landrat des Kreises Hildburghausen, Herr Kaden, wies darauf hin, dass die beiden Landkreise, Haßberge und Hildburghausen gut zusammenarbeiten. Er nannte das entstehende Burgenmuseum auf der Heldburg, das mit dem Burgenwinkel der Haßberge eng kooperiert. Auch Landrat Rudolf Handwerker wies auf die Bedeutung dieser beiden Projekte hin, denn große Firmen anzusiedeln sei nahezu unmöglich und daher läge die Chance im Fremdenverkehr, der durch diese Projekte angekurbelt werden soll.